Interview mit den Naberner Organisten

Heinz-Lendl

Heinz Lendl

Wolfgang Junker

Die Orgelmusik gehört zum Gottesdienst wie das Amen zum Gebet. Aber wer sitzt da eigentlich bei uns auf der Orgelbank und spielt? Wie kommt man überhaupt auf die Idee, Orgel spielen zu lernen? Und wie kommt man bei dem Thema Orgel auf die „Bonanza“-Titelmusik?

Herr Junker und Herr Lendl sind Organisten in Nabern, spielen während der Gottesdienste eine nicht unerhebliche Rolle und sind doch für die meisten Besucher unsichtbar. Ein Grund, weshalb Diane Lübker die beiden gerne näher kennenlernen und mehr von Ihnen erfahren wollte.

Meine erste Frage geht an Herrn Junker: Wie lange spielen Sie schon die Naberner Orgel?

Junker: Das müssen jetzt 20 Jahre sein, oder? In Nabern bin ich seit 34 Jahren. Und ich weiß, dass mein Sohn Johannes damals noch in der Grundschule war und auf der Orgel rumprobiert hat, als ich angefangen habe.

Und wie ist es bei Ihnen, Herr Lendl?

Lendl: Bei mir sind es ungefähr 40 Jahre. Als Schüler, so mit 15 oder 16 Jahren, habe ich angefangen, bei Ernst Leuze Orgelunterricht zu nehmen. Nach ein bis zwei Jahren spielte ich dann in den Gottesdiensten.

Wie sind Sie darauf gekommen, die Orgel als eines der schwierigsten Instrumente, spielen zu wollen?

Lendl: Genaugenommen bin gar nicht ich darauf gekommen, sondern der frühere Pfarrer von hier, Arnold Kuppler. Er kam oft zu uns ins Haus und spielte mit mir gerne vierhändig Klavier.
Irgendwann fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, Orgel zu spielen, was ich dann einfach bejahte. Nach meiner Konfirmation vermittelte mich daraufhin Pfarrer Kuppler zu Ernst Leuze nach Kirchheim, um Orgelunterricht zu bekommen.

Das heißt aber, dass Sie zuerst eine Prüfung dafür ablegen mussten?

Lendl: Nein. Wenn man selbst und Ernst Leuze der Meinung war, man könne in der freien Wildbahn spielen, dann konnte man spielen. Die C-Prüfung als Organist habe ich erst später, kurz vor dem Abitur, gemacht.

Und wie sind Sie zum Orgelspielen gekommen, Herr Junker?

Junker: Durch dich, Heinz, oder? Du hast mich da angeregt. Heinz Lendl war der Meinung, dass man in Nabern praktischerweise noch einen zweiten Organisten haben könnte.

Lendl: Ja, das stimmt. Und nicht nur einen Organisten für Nabern. Organisten waren damals schon Mangelware.

Haben Sie auch in Kirchheim Orgelunterricht gekommen, Herr Junker?

Junker: Ich hatte nie Orgelunterricht.

Lendl: Ja, wenn man gut Klavier spielt, kann man auch schnell Orgel spielen lernen.

Spielen Sie auch mit Händen, Füßen, Registern und Pedalen?

Junker: Ja, klar. Aber so richtig schwere ausgewachsene Orgelstücke könnte ich jetzt nicht spielen. Beziehungsweise liegt es vielleicht auch daran, dass ich in der Kirche sehr selten übe (lacht). Aber mittlerweile kann ich so die normalen Choräle und Kirchenlieder alle auch mit Pedal spielen. Auch ohne hinzugucken.

Lendl: Das ging aber auch nur, weil du ein Musikstudium auf dem Klavier mitgebracht hast. Sonst wäre das so nicht möglich.

Was ist das Besondere für Sie am Orgel spielen, Herr Lendl?

Lendl: Das Orgelspielen ist mir wichtig, nicht nur für die Gottesdienste, sondern weil es mir wirklich Spaß macht. Abends bin ich gerne auch mal für zwei Stunden in der leeren Kirche, spiele tolle Musik und genieße es, dass da kein Handy klingelt, man alles zuhause lassen kann und seine Ruhe hat.

Junker: Das werde ich jetzt auch machen, wenn ich im Ruhestand bin.

Wenn jemand Lust hätte auf der Naberner Orgel spielen zu lernen, ließe sich das machen?

Lendl: Ich könnte die Orgel gerne mal erklären, aber wenn jemand spielen lernen möchte, dann muss er sich mit dem Bezirkskantor, in diesem Fall mit Ralf Sach, in Verbindung setzen. Und die katholisch Interessierten bei Thomas Specker.

Ich habe im Internet von Organisten gelesen, die sich regelrecht beklagen, denn immer mehr Menschen würden in Organisten reine Dienstleister sehen. Als Beispiel wurde ein Brautpaar genannt, das den Wunsch hatte, zum Einzug in die Kirche die Bonanza-Titelmusik gespielt zu bekommen.

(Herr Junker summt sofort drauf los: Dum diri dum diri dum diri dum diri dmm dmmmm)

Lendl: Bei mir wollte jemand diese Musik für eine Beerdigung…

Und was sagten Sie dazu? Haben Sie sich darauf eingelassen?

Lendl: Nein. Ich wand mich erst einmal und gab zu bedenken, dass es ja eine Orchestermusik sei und es dafür keine Klaviernoten gebe. Damit hoffte ich, dass sie einlenken würden. Das Brautpaar wollte dann aber die Musik mittels eines CD-Players abspielen. Schließlich griff dann doch der Pfarrer ein, sodass es schlussendlich hieß, ich solle spielen, was ich für richtig halte.

Junker: Also wenn jemand wirklich auf die Bonanza-Titelmusik bestehen würde, dann könnte man auch einfach sagen: „nein“. Andererseits kann man es natürlich verstehen, wenn irgendein Lieblingslied des Verstorbenen gewünscht wird, ob es nun passt oder nicht. Die Tatsache, dass es eine Lieblingsmusik war, hat sicherlich eine gewisse Berechtigung bei einer Beerdigung. Das macht man dann schon, wenn’s geht.

Lendl: Ja. Aber es gibt Grenzen. Also bei der Bonanza-Melodie war der verstorbene Mann einfach nur Westernfan und die Angehörigen wollten die Musik als Begleitung, wenn der Sarg hereingefahren wird. Also ganz unerträglich.

Und wenn Sie für so Sonderwünsche extra Noten beschaffen müssen, vielleicht auch extra üben, wie ist das dann finanziell? Stellen Sie eine Rechnung oder ist das alles mit der Kirchensteuer abgegolten?

Junker: Das ist sehr unterschiedlich. Ich hab mich da schon mehrfach darauf verlassen, dass die Leute wissen, dass man da einen zusätzlichen Aufwand hat. Es gab auch schon extreme Fälle. Einmal hatte ich mit einem Trompeter zusammen in mehreren Proben fünf Stücke eingeübt, trug diese dann in einer weiteren Extra-Sitzung dem Brautpaar vor, so dass sie sich am Schluss zwei davon aussuchen konnten. Man sollte denken, es ist selbstverständlich, dass der stundenlange Aufwand entlohnt wird. Aber auf diese Idee kam in diesem Fall leider niemand.
Ich hatte auch schon mal eine Rechnung geschrieben und schlicht keine Antwort bekommen. Da wird für alles Mögliche Geld ausgegeben, für den Fotografen, den Blumenschmuck, das Brautauto und was weiß ich. Aber für die Kirche bleibt nichts übrig.
Ach, Hochzeiten sind sowieso speziell. (lacht)
Mittlerweile wissen die Leute auch aus dem Internet, was „geeignete“ Orgelvorspiele sind. Aber sie wissen natürlich nicht, wie schwer die Stücke sind und ob sie überhaupt auf einer kleinen Orgel spielbar sind.

Lendl: Ja, die Leute hören das Stück von irgendeiner Domorgel und sind dann ganz enttäuscht, wenn die Orgel zuhause einen viel schmäleren Sound, nicht den Nachhall und nicht die Wirkung hat, die sie sich vorstellen.

Junker: Es ist schon angenehm, wenn von der Kirche her möglichst viel organisiert wird. Gut finde ich, wenn mir gleich mitgeteilt wird, es kommt beispielsweise noch ein Saxophonist dazu, der begleitet werden will und man hat ihm schon mitgeteilt, dass dafür ein bestimmtes Extra-Honorar üblich ist.

Das Orgelspiel wird bei den Gottesdienstbesuchern in Nabern aber sehr hoch geschätzt. Hier bleiben die Besucher gerne auch zum Nachspiel noch sitzen. Manchmal bekommen Sie sogar Beifall. Wie kommt das bei Ihnen an?

Junker: Ja, das ist schon sehr angenehm. Und natürlich freut man sich über Extra-Beifall! Das Gegenteil ist, wenn man ein Nachspiel hat und man spielt wirklich ein schönes und begeisterndes Stück und je lauter man spielt, desto lauter reden die Leute und kein Mensch hört zu.
In manchen Kirchen habe ich wirklich keine Lust, ins Nachspiel noch irgendetwas zu investieren. Deshalb finde ich es im Prinzip schon gut, wenn die Leute auch während des Nachspiels sitzen bleiben.

Spielen Sie auch oft in den Nachbargemeinden Orgel?

Junker: Ja, mal in Neidlingen, mal in Hepsisau…

Lendl: …mal in Ochsenwang und Bissingen,…

Junker: …oder in der Thomaskirche und im Krankenhaus. Wir haben hier so etwa acht Standorte insgesamt.

Gibt es einen Sonntag bei Ihnen, der frei ist?

Lendl: Wenn man verreist ist (lacht). Mehr als zwei freie Sonntage im Jahr – wenn ich nicht verreist bin – habe ich nicht. Aber das stört mich auch nicht.

Gibt es also auch hier ein ungeklärtes Nachwuchsproblem?

Lendl: Das ganz sicher, ja. Aber nicht nur in Nabern, sondern generell. Es lernen wenig Jugendliche Orgel spielen.

Weil es vielleicht auch zu kompliziert ist?

Junker: Das und weil es in der Kirche allgemein ein Nachwuchsproblem gibt.

 

Aber das ist ein anderes Thema. Deshalb lassen wir es an dieser Stelle jetzt gut sein.

Ich danke Hr. Junker und Hr. Lendl ganz herzlich für das Gespräch und freue mich schon auf die nächsten Gottesdienste, bei denen die Orgel wieder gespielt wird.

Das Interview wurde 2017 geführt.