Interview mit Roswitha Eberspächer

Roswitha Eberspächer hat die Bilder im Saal des Gemeindehauses zum Thema Schöpfung gemalt.

Roswitha, wie bist du dazu gekommen, die Schöpfungsgeschichte für das Gemeindehaus zu malen?

Also, da war der Weltgebetstag 2018 aus Surinam, bei dem es um die Schöpfungsgeschichte, die Bewahrung der Schöpfung und den Dank an Gott für die Schöpfung ging. Dazu wollte das Vorbereitungsteam für jeden einzelnen Tag ein Bild oder Anschauungsobjekt. Ursel Ziegler ist daraufhin zu mir gekommen und fragte, ob ich da nicht was hätte?

Erst dachte ich: also für anderthalb Stunden Gottesdienst so eine Wahnsinnsarbeit, das wollte ich eigentlich nicht. Aber dann – ich werde ja blind – dachte ich, das ist die Chance, mich nochmal so richtig mit der Schöpfung abzugeben, mich dran zu freuen und sozusagen meinen Dank auszudrücken für diese vielen Jahre, in denen ich die Schöpfung bewundern konnte.

Ich habe mir 14 Tage Bedenkzeit auserbeten, weil mir klar war, wenn man mind. sieben Bilder macht, für jeden Schöpfungstag eins, dann gibt das eine Serie. Da muss alles auch formal zusammenpassen und man hat ja auch einen künstlerischen Anspruch.

 

„Ich probiere es!“

Also musste ich mir überlegen, was male ich illustrativ, z.B. die Tiere oder den Menschen oder den Regenbogen, und was male ich symbolartig, z.B. wie Gott ausruht. Wie bekomme ich das auf ein Bild? Das waren sehr intensive 14 Tage.

Bis ich dann zur Ursel sagte: „Ich probier’s“.

Dann hab ich natürlich die Schöpfungsgeschichte genau durchgelesen. Als nächstes versuchte ich, für jeden Tag eine Farbe festzulegen. Und wie ich die Farben auf die Schöpfungstage verteilt habe, hab ich gesehen, da wird von alleine ein Regenbogen draus.

Am 2. Schöpfungstag heißt es, Gott baut eine Feste und trennt damit das Wasser über der Feste von der unter der Feste. Diese Feste (es heißt ja nicht das Feste, sondern die Feste) wird in anderen Übersetzungen als Gewölbe oder Bogen bezeichnet, die das Wasser unter der Feste von der über der Feste trennt. Und da dachte ich, der Regenbogen könnte ein Bild für das Gewölbe sein.

Dazu fiel mir auch das ptolemäisches Weltbild ein, das die Menschen im Mittelalter hatten, also diese Käseglocke. Da geht es um dieses Gewölbe: außen ist dieses Chaos oder das Nichts und das ist dieses Wasser außerhalb dieses Bogens.

So war ich dann bei den Regenbogenfarben, die aber jetzt verkehrt herum sind. Lila steht am Anfang und am Ende.

Der 2. Tag mit dem Wasser, das war klar, das wird blau.

Der 3. Tag, an dem das Grünzeug geschaffen wird, wird grün.

Der 4. Tag mit Sonne, Mond wird gelb. Bei diesen vier Bildern lagen die Farben schon fest. Und da dachte ich, so mach ich weiter:

Fische und Vögel werden orange, das war etwas erzwungen, aber geht dann auch.

Und die Tiere und den Menschen male ich in rot, das fand ich schlüssig.

Und am Schluss kommt wieder lila, weil das ja vorne und hinten ist, das Alpha und das Omega. Violett gilt als die spirituellste Farbe.

Der Regenbogen als zentrales Element

Der Regenbogen fängt ja eigentlich mit violett und rot an, wenn man von links außen anfängt. Aber der zweite Bogen, der drüber erscheint, ist umgekehrt in den Farben. So hab ich den Text noch einmal richtig durchgelesen und da heißt es bevor die Schöpfung anfing: „Gott schuf Himmel und Erde und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“. Ja, was ist das jetzt für ein Wasser, da ist doch noch gar nichts geschaffen? Es ist also schon da, bevor die Schöpfung geschah!

Und da kam mir, dass Wasser eigentlich überall in der Schöpfung mit drin ist, das Wasser des Lebens. Wasser ist was ganz prinzipiell Wichtiges. Vielleicht ist es wie im Anfang des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort….“ Vielleicht ist das Wasser wie das Wort Christus?

Dann ist da der Geist Gottes, der über den Wassern schwebt. Und diese drei sind das Ganze mit Gott zusammen. Da war ja alles noch eine Einheit, so stelle ich mir das vor. Aber was sind diese Wasser? Man kann natürlich so ganz spirituelle Dinge nicht malen. Ich habe mir also vorgestellt, ich male einen Widerschein wie wir es hier auf Erden so erleben und habe die Schrift auf das Blau gemalt, das dadurch richtig schimmert.

1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.

1. Mose 1,2

1. Tag

Tag 1

3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.

4 Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis

5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

1. Mose 1,3-5

Am ersten Tag trennt Gott das Helle vom Dunkeln. Da nahm ich erst schwarz und weiß. Das passte natürlich überhaupt nicht in die Reihe. Also dachte ich, ich muss ja nicht darstellen, wann was getrennt ist, sondern ich kann das ja im Augenblick, wo sich´s anfängt zu trennen, malen.

Und da ist mir klar geworden, gleich mit jedem Anfang, mit jedem Schöpfungsakt, entsteht die Dualität. Die Dualität vom Schöpfer und Geschaffenen. Das Helle und das Dunkle. Und das, worunter wir hier auf der Erde – ich jedenfalls- so zu leiden haben, dieses Gute und Böse, Schöne und Hässliche, diese Dualität.

2. Tag

Tag 2

6 Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern.

7 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so.

8 Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.

1. Mose 1,6-8

Dann kommt der zweite Tag, wo eben diese Feste entsteht und die zweierlei Wasser. Aber was ist das für ein Wasser über einer Feste? Das wird nie wieder erwähnt. Ist es das Chaos? Oder das Nichts? Die Möglichkeit, aus der sich alles andere entwickelt? Genau da entsteht der Raum.

Also erst die Dualität, dann der Raum. Dieses Zweierlei. Diese Trennung.

3. Tag

Tag 3

9 Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einem Ort, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so.

10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.

11 Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist auf der Erde. Und es geschah so.

12 Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art, und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Same ist, ein jeder nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

13 Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.

1. Mose 1,9-13

Und am dritten Tag trennt er ja das untere Wasser, das Meer von der Erde und begrünt die Erde gleich mit Früchten, Samen und Blumen und alles was da wächst. Und da sieht man schon, dass es keine naturwissenschaftliche Lehre ist, denn ohne Sonne und Mond kann nichts wachsen. Es ist also überhaupt nicht naturwissenschaftlich gedacht.

4. Tag

Tag 4

14 Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht. Sie seien Zeichen für Zeiten, Tage und Jahre

15 und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so.

16 Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne.

17 Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie schienen auf die Erde

18 und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war.

19 Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.

1. Mose 1,14-19

Am vierten Tag entstehen Sonne, Mond und Sterne, es entsteht also die Zeit. Da entstehen die Wochen und Tage, da entsteht diese Rhythmik.

5. Tag

Tag 5

20 Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels.

21 Und Gott schuf große Seeungeheuer und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

22 Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden.

23 Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.

1. Mose 1,20-23

Dann hab ich das Orange genommen für Vögel und Fische am fünften Tag. Diese ungeheure Vielfalt, wie das alles so durcheinander wuselt, das hab ich in Orange gemalt. Und das Blau für den Hintergrund, für das Wasser und den Himmel. Eigentlich ist immer irgendwo blau mit drin.

6. Tag

Tag 6

24 Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so.

25 Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.

28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.

30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.

31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

1. Mose 1,24-31

Dann kommt der sechste Tag, an dem er die Tiere erschafft und auch den Menschen. Es ergab sich, dass da nun rot sein muss. Und ich dachte, jetzt entsteht alles, was mit Gefühl zu tun hat. Also rot steht ja eigentlich für den Mars, für den Gott des Krieges. Rot steht auch für Wärme, Liebe, Leidenschaft, also für heftige Gefühle, aber ohne zu werten.

Ich staunte, wie diese Grundprinzipien, jedenfalls für mich, so heraus traten.

7. Tag

Tag 7

1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.

2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.

3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.

4 Dies ist die Geschichte von Himmel und Erde, da sie geschaffen wurden. Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.

1. Mose 2,1-4

Und dann das Schwierigste: Am siebten Tage ruht Gott. Ja, wie malt mal das? Eine Freundin sagte zu mir: „dann mal doch ein Bänkle“. Das ist eigentlich nett, aber dann doch zu harmlos. Und dann hab ich dieses ganz alte Symbol gemalt, das Auge Gottes, der Kreis im Dreieck, die Dreieinigkeit, das Eine, das Runde, das Geschlossene, das Symbol bei dem alles noch zusammen ist.

In meiner Vorstellung zieht sich genau da Gott wieder aus seiner Schöpfung zurück. Aber er betrachtet sie, er beobachtet sie – ich hoffe mit gütigem Blick. Er entlässt sie in Freiheit und Entwicklung.

Das ist so in etwa die Entstehungsgeschichte dieser Bilder.

Hier sieht man die ganze Bilderreihe, wie sie am Weltgebetstag gezeigt wurde.

Wie ging es dann weiter mit dieser Bildergeschichte?

Nach dem Weltgebetstag wurden die Bilder im Gemeindehaussaal aufgehängt. Und irgendwann kam Pfr. Bosler auf mich zu, ich solle die Bilder doch im Gottesdienst vorstellen. Erst wollte ich nicht, sagte nur „vielleicht“, „wenn er mal über die Schöpfung predigt“. Aber dann haben mich verschiedene Leute gefragt, weil sie komischerweise gar nicht begriffen haben, dass das Bilder von der Schöpfung sind. Sie fragten: „Was sollen denn die Bilder da?“ „Was bedeuten die?“

Und da dachte ich, dann muss man so eine Vorstellung doch machen.

Das sagte ich dann zu Pfr. Bosler und so hat er hauruck diese Bildervorstellung anberaumt. Im Gottesdienst hat Frau Junker mit ihrem schönen Hochdeutsch die Schöpfungsgeschichte gelesen abwechselnd zu meinen Erläuterungen. So hatte ich immer noch einen Moment Zeit, mich auf das nächste Bild zu konzentrieren. Das war, glaube ich, ganz gut.

 

„Was steht denn da geschrieben?“

In den ersten beiden Bildern sind auch Buchstaben zu erkennen. Ist das ein Text, der dort steht?

Die Flächen sind ja alle rhythmisiert, bewegt. Man kann ja nicht einfach was anstreichen. Und da hab ich Texte genommen. Das mache ich eigentlich sehr viel, einfach um den Untergrund so bewegt und lebendig wie möglich zu gestalten. Aber ich will nicht unbedingt, dass man diese Texte liest. Ich webe also passende Gedichte in meine Bilder hinein oder hier im 1. Bild z.B. habe ich „Spirit“ und „Ruach“ hinein gemalt, der Geist, der als Geheimnis da ist. Aber das muss man nicht unbedingt lesen.

Im zweiten Bild, habe ich, glaube ich, nur „hell“ und „dunkel“ und „schwarz“ und „weiß“ oder so  was hinein geschrieben.

Und beim letzten Bild, wo Gott ruht, schwingt sozusagen eine Art Landschaft im Hintergrund.

Du sagtest vorhin „blau ist in allen Bildern mit drin“?

Ja. Blau als das Wasser. In den ersten vier Bildern in denen alles beginnt und die Gestirne entstehen, ist der Hintergrund lila-blau. Alles Leben braucht Wasser, das geht gar nicht anders. Das fand ich sehr eindeutig.

Ich hab mich nie zuvor derart mit der Schöpfungsgeschichte abgegeben, aber dann kam mir allerhand, als ich so intensiv damit lebte.

Im katholischen Abendmahl und auch bei den Anthroposophen, hab ich gelernt, dass der Abendmahlswein immer mit Wasser verdünnt wird. Die Leute behaupten, das sei aus Sparsamkeit. Das stimmt nicht. Nichts passierte im Mittelalter ohne Symbolik. Im Mittelalter stand der Wein, also der Alkohol, für den Spirit, für den Geist, und das Wasser für Christus, und das Brot für Gottvater. Und so ist auch da überall Wasser mit drin.

Ich finde es toll, was man alles entdeckt, allein wenn man sich mit diesen Farben auseinandersetzt.

 

Unterschiedliche Weltbilder

Du hast am Anfang schon erwähnt, dass du den Regenbogen absichtlich mit in die Schöpfungsgeschichte eingearbeitet hast, obwohl der Regenbogen in der Bibel erst viel später auftaucht. Kannst du nochmal erläutern, warum du diesen Bogen in die Schöpfungsgeschichte eingebaut hast?

Dieses Gewölbe wollte ich darstellen. Aber was ist das Gewölbe? Es gibt ein Buch mit mittelalterlichen Malereien, da haben sie das Gewölbe als eine Art gotischen Bogen oder als eine Halle gemalt. Oder denke mal an dieses ptolemäische Weltbild, wo die platte Erde dargestellt wird und da drüber die Käseglocke gestülpt ist.

Und dann fragte ich Pfarrer Dehli, was es mit den zweierlei Wassern und dem Regenbogen auf sich hat. Er meinte, dass sich bei der Sintflut die Schleusen des Himmels öffneten und dass dies das Wasser über dem Bogen sei in diesem alten Weltbild. Und das stünde für das Böse, das ausgeschlossen ist durch die Feste, die die Menschheit schützt.

Aber für mich ist es eher wie das moderne Weltbild, in dem ja hinter unseren ganzen Sternen Welten kreisen und noch was ist und noch was ist. Und irgendwo soll ja dann noch Leere sein, so nennen sie es. Aber das würde ich nicht werten, ob das das Böse ist. Ich denke, da sind wir nicht mehr so dabei.

Ich malte einfach diesen Bogen oder das Gewölbe, weil sich die Farben so ergaben und weil mir die Zuwendung zur Schöpfung, die der Regenbogen ja ausdrückt, so gefällt.

Du erwähntest vorher auch die Bibelstelle: „der Geist Gottes schwebte über den Wassern…“, als das Wasser noch gar nicht geschaffen war. Kannst du dazu noch etwas sagen?

Was für ein Wasser war es denn? Da könnte ich mir das Wasser im Abendmahlswein, dieses Bild für Lebenswasser für Christus, auch vorstellen – wenn man sich überhaupt etwas vorstellen will und es nicht nur als schönes Bild stehen lässt. Aber ich musste oder wollte es ja darstellen und da muss man das schon konkreter bekommen.

 

Eine Welt voller Kontraste und Widersprüche

Ist Schöpfung etwas, das irgendwann auch abgeschlossen ist oder ist da immer etwas im Werden, im Wandel und im Entstehen? Wie siehst du das?

Also in der Schöpfungsgeschichte – und ich habe mich weitgehend an die biblische Geschichte gehalten, ruht Gott irgendwann. Da scheint es, als ob er sich nach dem 6. Tag aus seiner Schöpfung heraus zöge und sie uns überlässt.

Manchmal denke ich, er überlässt uns die Welt wirklich. Ja, das ist ja immer dieser Konflikt zwischen Liebe und Freiheit.

Die Frage ist, warum lässt er das zu? Aber wenn er sich in alles einmischen würde, dann hätten wir keine Freiheit.

Dorothee Sölle sagt so ungefähr, Gott will nicht mehr mitmischen auf Erden. Er hat sie uns überlassen. Und dann würde alles Schlimme und Gute durch den Menschen entstehen. Und sie sagt, Gott liebt den Menschen, er guckt zu und lässt ihm die Freiheit. Und wenn er angerufen wird, dann fließt hoffentlich schon was.

Wahrscheinlich darf man in religiösen Dingen sowieso nicht nur in „entweder“ „oder“ denken. Da passieren Sachen auch gleichzeitig.

Wir wollen das immer so klar mit dem Dualismus, wir wollen entweder Gut oder Böse. Wir wollen immer wissen, wie es ist. Vielleicht gibt es aber sowohl, als auch? Ich weiß es nicht.

Ich finde es großartig, dass du sagen kannst: ich weiß es nicht. Und du dieses große Geheimnis so stehen lassen kannst.

Es bleibt mir nichts anderes übrig (lacht).

Nun ja, man könnte auch sagen, das ist doch alles ein großer Mist.

Also, wenn ich intellektuell Gott denke, nur logisch, dann glaube ich auch an nichts. Weil eben nichts zusammengeht. Aber manchmal hat man ja so Momente, wenn man in der Natur z.B. eine wunderbare Blüte betrachtet. Warum diese Vielfalt? Warum diese Pracht? Es wäre doch auch einfach gegangen. Für drei Tage sind die Pfingstrosen eine Wucht! Ich arbeite das ganze Jahr darauf zu, dann blühen sie und dann regnet und weht es. Dann sind die Blüten nicht einmal eine Woche lang dran gewesen.

 

Totales Chaos oder Ordnung

Ich fand deine Überlegungen spannend, was du denn darstellen willst, wenn du an die Schöpfung denkst. Der Sommer sieht schließlich ganz anders aus als der Herbst und der Winter ganz anders als der Frühling. Aber wo ist der Anfang oder wie kann man diese Schöpfung greifen?

Also ich glaube, dass wir im Grunde, also wenn wir nicht religiös denken, das Gefühl haben, wir leben in einem totalen Chaos. Es passiert, was mag. Alles geht durcheinander und nichts ist klar.

Ich denke, ein Mensch kann aber nicht leben ohne Ordnung und ohne einen Sinn zu suchen. Und deswegen hat doch jede Religion ihre Schöpfungsgeschichte, weil jeder wissen will, wo er her kommt.Und sie baut sich aus ihrer Sehnsucht diese Bilder und Mythen, die zur jeweiligen Kultur passen.

Die Jahreszeiten gehören für mich zu diesem Zeit-Bild, zu dem mittleren Bild. Dort passieren die Tageszeiten, die Wochen- und Jahreszeiten. Der Stern- und Tierkreis entsteht.

Hier werden die Tierkreiszeichen, von denen vier davon zu den Evangelisten-Symbolen werden, schon festgelegt. Das ist uraltes Wissen und das sind Richtlinien, nach denen man sich auch beim Ernten und Säen richten wollte. Wann sät man, wann erntet man? Man versucht, eine Ordnung in das Chaos hinein zu bringen.

Ich glaube, wir können nicht anders leben.

Wie stellst du dir den Anfang der Zeit vor? Hast du eine Vorstellung wie im Jesaja-Text Text 65, 25, in dem es heißt: „Wolf und Schaf sollen beieinander weiden, der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen“? Oder wird in dem Text eine ganz andere Welt beschrieben?

Also zu meiner Arbeit an den Schöpfungsbildern waren diese Gedanken nicht dran. Da hab ich einfach versucht, mich an die Schöpfungsgeschichte zu halten, soweit das geht. Aber diese Gedanken gefallen mir schon.

Also, wenn wir schon keinen Dualismus haben, keine zwei Götter, und der Dualismus am ersten Tag aus Gott entsteht, wenn wir keinen Teufel haben, dann ist das Böse auch in Gott.

Hat das irgendeinen Sinn? Vielleicht wegen unserer Freiheit? Wir hätten ja keine Wahlmöglichkeit, wenn wir nicht auch das Böse wählen könnten. Schon beim Sündenfall ist das Böse ja da.

Ich will auch nicht, dass nachher alles so ein Einheitsbrei wird, so ein mittelprächtiger, sondern dass die Skala so bleibt und dass das eben ein Reichtum ist, nicht nur schlimm. Das Vielerlei ist eben auch Reichtum. Ein Paradies, in dem wir nur noch mit Palmen wedeln und Halleluja schreien, ist mir total langweilig, das ist tote Hose, das will ich nicht. Da bin ich nicht dran interessiert (lacht).

Ja, wir haben ein Harmoniebedürfnis, das habe ich natürlich auch. Wir leben ja vielschichtig. Das Harmoniebedürfnis hätte schon gern, dass den Kindern nichts passiert und dass die Schlange einbezogen ist und ihre Pflicht tut, es aber alles sinnvoll ist.

Also wenn ich religiös denke, dann wird es einen Sinn haben. Den kapiere ich halt nicht. Und wenn Gott das angeguckt hat, die Schlange und die Dunkelheit, die fürchterlichen Gewitter und die Sonnenbrände mit geschaffen hat und sagt, „es ist gut“, dann wird er doch wissen, was gut ist und was er damit meint. Hoffe ich.

 

Malen als Prozess

Wie ist das bei dir, wenn du malst? Du sagtest vorher, du malst ein Bild auch mehrmals. Verwirfst du ein Bild auch mal ganz oder veränderst du es so lange, bis es passt?

Also das ist ein bisschen Temperamentsache. Es gibt Leute, die malen wahnsinnig viel für den Papierkorb. Und dann gibt es welche, die konstruieren ewig am gleichen Ding herum. Ich bin eher so eine Mischung.

Ich male auch in Acryl und ich male transparent und da kann man nicht endlos dran rum machen. Das wird dann tot. Da wird das Bild dann braun und langweilig. Manchmal verliebt man sich in eine Ecke und meint, die anderen müssten auch so werden.

Also ich schmeiß schon immer einen Haufen weg.

Bei dieser Bilderserie, das hab ich noch nie so gemacht, da hab ich mindestens 14 Tage gar nicht gemalt, sondern vor allem nachts im Bett herum gewerkelt, was werden soll. Und ich hab viel auf alte Briefumschläge geschrieben, wie ich die Tage so verteilen will und wie ich es machen könnte, damit es eben ein Gesamtes wird. Aber so fest nach Plan male ich kaum.

Ich habe in der Regel schon eine Vorstellung, was ich machen will und wenn das nicht klappt, muss ich gucken, dass mir ein anderer Einfall kommt. Und dann probiere ich es ganz anders.

Seit ich nicht mehr so lange stehen kann – ich muss immer hinstehen beim Malen, damit ich den Überblick habe -, weil mir sonst schlicht und ergreifend der Rücken weh tut, muss ich gedanklich schon einiges durchprobiert haben.

Hast du diese Bilder auch stehend am Tisch gemalt? Oder auf der Staffelei?

Ich male nie auf der Staffelei. Da verläuft sonst alles, das kann ich nicht gebrauchen. Die Schöpfungsbilder hab ich auch auf dem Tisch gemalt, die sind ja aber auch relativ klein, weil sie insgesamt so eine lange Strecke ergaben. Die Bilder sollten ja auf einen Altar im Gemeindehaus, der ungefähr 2,40 m lang sein sollte. Gott sei Dank hatte ich da sehr edle Kartons, die ich schon seit 50 Jahren in einer Ecke aufbewahrt hatte. Und vor lauter „heilig“ hatte ich sie einfach nie benützt. Sie waren mir aber auch immer zu klein.

Unter den originalen Bildern ist ja immer ein Streifen, der nicht bemalt wurde, weil da dieses Bord hin musste, auf dem sie stehen. Und wir hatten ja auch Tücher und ich wollte nicht, dass die Tücher Teile der Bilder überdecken.

Du verwendest ausdrucksstarke Farben, so auch bei diesem Tierbild, bei dem du ganz grelle, leuchtende Farben, wie rot, orange und pink, verwendet hast. Wie findest du die richtigen Farben?

Alle Farben sind im Regenbogen enthalten, dieses Prisma, das das weiße Licht bricht zu den Regenbogenfarben. Ich nehm immer Schminkefarben, das sind die teuersten, die ich so kenne, und die sind sehr intensiv und lichtecht. Und hier ging es mir wirklich um diese Farben.

Ich male sonst gern so Ton in Ton, wie das erste Bild, aber bei den Tieren ging es mir wirklich um die Vielfalt. Wenn schon Schöpfung, dann ist das DAS Angebot von allem. Und möglichst auch ohne zu werten. Und wie das rot so wurde, dachte ich, das ist richtig so. Da wo der Mensch auftritt, kommt die Leidenschaft, die Gewalt, die Sehnsucht. Da wird es heftig.

Ich hätte natürlich bei dem gelben Bild mit Sonne, Mond und Sterne auch mehr rein hauen können, aber so male ich eigentlich öfters, dass es in sich tonig ist.

Und dann eben immer wieder die Frage, wie bringe ich die Bilder zusammen?

Also der Regenbogen fällt ein bisschen heraus. Den Regenbogen hab ich wahnsinnig oft gemalt. Ich fragte mich auch: wo sitzt der Regenbogen? Er muss an der richtigen Stelle sitzen. Und dann dachte ich, ich mach den Bogen viel breiter, richtig groß. Aber dann dachte ich, es geht ja eigentlich um dieses Wasser, das getrennt wird.

 

„Mein Dank oder Abschied“

Du erwähntest vorhin in einem Nebensatz, dass dein Augenlicht nachlässt.

Ja, ich habe Makuladegeneration, das bedeutet Ablagerungen hinter der Netzhaut. Auf dem rechten Auge sehe ich nur noch 10 – 20%, aber mit dem linken Auge kann ich noch bei hellem Licht lesen und sehe die Farben. Wie das weitergeht? Da darf ich gar nicht wirklich dran denken, da bekomme ich Panik. Ich kann auch nicht wissen, wie schnell ich meine Sehkraft verliere, vielleicht sehe ich ja in fünf Jahren immer noch halbwegs. Vielleicht sehe ich aber auch übermorgen kaum noch was, das kann man nicht wissen. Und das ist echt eine Zumutung. Gerade wenn man so ein Augenmensch ist.

Ja, deshalb hab ich mir selbst auch ein Buch gemacht, so ein großes, einfaches, fertiges Fotoalbum, außen mit Stoff eingebunden. Einige wenige Bilder habe ich direkt rein gemalt. Erst die Schöpfungsgeschichte und dann hab ich Gedichte hinein geschrieben (da gibt es ein wunderbares Gedicht von der Bachmann oder von Goethe, in denen es um das Sehen geht). Und zu diesen Gedichten male ich ein Bild. Aber das Buch ist noch nicht fertig.

Das ist mein Dank oder mein Abschied, genauso wie dieser Auftrag zu dieser Ausstellung.

 

Rückblick

Ich würde dich gerne zum Schluss noch fragen, wie du überhaupt zur Malerei gekommen bist?

Mein Vater war Bildhauer, er studierte in München und Berlin und hat auch meine Mutter in München kennen gelernt, sie war Keramikerin. Da ging es immer um Kunst. Und da war mir ganz klar, ich mach alles, bloß keine Kunst. So wurde ich Bibliothekarin und landete auf der Kunstakademie Stuttgart in der Bibliothek – dann eben doch.

Später in Kirchheim begegnete ich Hr. Reißing. Er war Kunsterzieher in Kirchheim und hat einem immer nur Mut gemacht. Da bin ich ein paar Mal hin. Das war mir dann aber irgendwann zu wenig.

Dann hab ich gehört, dass Prof. Klumbies, der in Karlsruhe Prof. war und in Reichenbach mal wohnte, was ausgeschrieben hatte. Das Image von Rüdesheim sollte aufpolliert werden und da wollte er so was wie ein Gegenprogramm haben. Dort haben dann richtig ausgebildete Künstler und auch Laien und ganze Anfänger und Leute wie unsereins mitgemacht. Ich war also an die 30 Jahre bei ihm. Jedes Jahr im Frühling und im Herbst für 10 Tage. Tollerweise hat das mein Mann auch geschluckt. Von diesen 10 Tagen lebte ich immer sehr lange.

Ich war im Haushalt nicht so sehr glücklich. Eigentlich bin ich praktisch veranlagt, aber ich hatte das Gefühl, man verblödet, wenn man sich bloß mit Kindern und Haushalt abgibt. Selbst wenn mit Einmachen und Nähen noch was anderes gefragt ist.

In der Familienbildungsstätte habe ich auch Aquarellkurse und Zeichenkurse gegeben. Aber beim Malen allein blieb es nicht. Ich habe auch Keramikkurse in meinem Keller gegeben.

Es fehlt mir die Begabung, die jeder Künstler haben muss, wenn er zu etwas kommen will, er muss auch merkantil begabt und selbstdarstellerisch sein und sagen: ich bin der Beste. Oder jemanden haben, der das für ihn macht. Durch die Kunst hatte ich jedenfalls ein sehr reiches Leben.

Auch gute Freundschaften sind entstanden. Mit ein paar Künstlerinnen aus der Umgebung habe ich mich jede Woche getroffen, um miteinander zu malen. Das gab eine schöne Gemeinschaft.

Aber dann ist es ja auch eine Schinderei, wenn man auf eine Ebene kommt, wo man sich auch irgendwie bewähren muss. Wenn man ausstellt, – ich hab immer nur ausgestellt, wenn ich drum gebeten wurde, weil ich eben so ein Drückeberger bin -, dann wird man auch gemessen. Und das ist nicht so ganz einfach. Oder man misst sich selbst.

Auch wenn man an der Familienbildungsstätte oder an der Volkshochschule Kurse gibt, ist das im Grunde Therapie. Da kommen Menschen, die sich nicht wohl fühlen. Vielleicht hab ich so auch selbst angefangen? Menschen, die einsam sind, die irgendwas für sich persönlich suchen. Und da kann man keine wirklichen künstlerischen Kriterien anwenden. Überhaupt, wenn man jemanden kritisiert, wenn er malt, dann ist das ganz schwierig.

Ich hab ja auch einige Male in Bielefeld in Bethel ausgestellt. Dann kommen schon Leute, die was davon verstehen, und da muss man schon irgendwie auch hin stehen oder jedenfalls nicht kaputt gehen dran, weder am Lob noch am Tadel.

Schön, dass du deine Bilder auch bei uns ausgestellt hast.

Ach, ich freu mich ja auch. So was tut mir auch gut. Klar, ist man auch abhängig von so was. Es ist nicht befriedigend, wenn man malt und alles in der Schublade verschwindet.

Hast du deinen Mal-Stil im Laufe der Zeit verändert oder lediglich präzisiert?

Das kann man schlecht selbst sagen. Ich habe immer gedacht, ich male ganz unterschiedlich. Aber die Leute sagen gleich, das Bild muss von dir sein.

Weißt du, der Professor war super. Da hat man immer ein Thema gehabt, zum Beispiel „Hell – Dunkel“, oder „Die Zwei“ oder „Das Horizontale“. Am Abend wurden dann die Bilder von allen auf den Boden gelegt und er fragte: „Welches Bild hat die Aufgabe am Besten erfüllt“? Und da sind wir so drum herum gestanden. Die Antwort war relativ einfach.

Und dann sagte er: „Und welches Bild kommt der Aufgabe am Besten nach? Welches Bild ist in sich geschlossen?“ Das war auch einfach.

Aber dann sagte er: „Und jetzt gucken wir mal, welches Bild ist sonderlich?“ Und da wollte er dieses Sonderliche, was man noch nie gesehen hat. Und das war wirklich eine Schulung. Denn ich fiel zunächst auch immer auf die Könner herein, die Handwerker, die das so doll hin hauen können. Aber dass da jemand was ausdrücken konnte, was vielleicht noch nie jemand hatte, und das waren manchmal ganz piepsige Sachen von irgendwelchen Anfängern, die irgendwelche Sensibilität da drin hatten oder Einsamkeit oder Sehnsucht oder Gier oder irgend sowas Atmosphärisches, das war doll. Für mich war das nicht bloß eine Schulung für das Malen.

Ich danke dir herzlich für dieses Interview und wünsche dir, dass dein Augenlicht noch lange erhalten bleibt.

Das Interview führte Diane Lübker im Juni 2019